Die doppelten Auswirkungen der Elektrizität auf das Technikum
Wie bereits im ersten Kapitel dieses Blogs (das Abendteuer Guillaume Ritter) zu lesen war, hat Guillaume Ritter die Staumauer Magere Au errichtet, um die Stadt Freiburg mit Wasser zu versorgen und ab 1874 über ein teledynamisches Übertragungskabel Energie auf die Pérolles-Ebene zu transportieren. Diese Art des Energietransports erwies sich jedoch als nicht optimal.
In den folgenden Jahren werden schrittweise Stromnetze gebaut. Nach dem Konkurs der Société générale suisse des eaux et forêts und ihrer Übernahme durch den Kanton im Jahr 1888 wird die teledynamische Übertragung relativ rasch durch Elektrizität ersetzt. Das Kraftwerk Magere Au wird nach und nach elektrifiziert.
Paul Joye, Physikprofessor an der Universität Freiburg, dann Direktor des Technikums und schliesslich Direktor der FEW, berichtet über den Fortschritt der Elektrifizierung des Kraftwerks Magere Au: «1893 ist der Umbau abgeschlossen. Von den alten Anlagen sind nur noch die Pumpen übrig. Sie dienen dazu, das Wasser bis ins Speicherbecken im Guintzet zu befördern […]. Das teledynamische Übertragungskabel wurde durch feste Kupferleitungen ersetzt, die 500 Pferdestärken geräuschlos und mit viel weniger Verlusten zur Pérolles-Ebene transportieren. Am Kraftwerk wurden erhebliche Änderungen vorgenommen. Es besitzt nun drei Turbinen: eine mit 300 Pferdestärken (PS), welche die Pumpen antreibt; eine mit 400 PS für den Betrieb des Lichts und der kleinen Motoren; eine mit 500 PS für die grossen Motoren und die Förderung.»[1]
Zweite industrielle Revolution
Mit der Elektrizität beginnt die zweite industrielle Revolution. Diese hat natürlich weitreichende Auswirkungen auf die Schule, deren Aufgabe es ist, künftig in der Industrie beschäftigte Arbeiter auszubilden. Wie wir bereits gesehen haben (lien sur les années Genoud), entwickelt sich die Industrie in Freiburg rasch. Die Elektrizität hält nicht nur in den Fabriken ihren Einzug, sondern in sämtlichen Bereichen der Wirtschaft. Im Technikum wird die Abteilung der Elektromechanik kontinuierlich ausgebaut. 1900-1901 sind es ein knappes Dutzend Schüler, 1901-1902 bereits rund zwanzig und 1902-1903 schon dreissig, eine Zahl, die in den kommenden Jahren stabil bleiben wird. Ab 1909-1910 wächst die Zahl der Schüler erneut auf knapp vierzig. In den Jahren nach der Gründung der FEW (1915) steigt sie erneut deutlich an: Im Wintersemester 1916-1917 sind es 45 Schüler, im Wintersemester 1919-1920 schon 66, ein Jahr später 70.
Für die Entwicklung des Bildungswesens spielt ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit der Elektrifizierung des Kantons eine wichtige Rolle. 1895 beschliesst der Grosse Rat, den Reingewinn der Entreprise des eaux et forêts für den jährlichen Unterhalt der Naturwissenschaftlichen Fakultät aufzuwenden. Dieser Beitrag ist in der Geschichte Freiburgs gut dokumentiert.
Elektrofabrik und Karbidfabrik in Montbovon, vor 1916
Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Collection de cartes postales. Photographe Charles MorelElektrisches Dampfkraftwerk, Romont, zwischen 1910 und 1925
© Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Fonds des Entreprises Electriques Fribourgeoises.Elektrizitätswerk in Châtel-St-Denis, zwischen 1897 und 1913
© Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Fonds des Entreprises Electriques Fribourgeoises
«[…] Die Nachfrage nach elektrischer Energie übersteigt schon bald das Potenzial des Kraftwerks Magere Au. Dieses reicht kaum aus, um die Stadt Freiburg zu versorgen. Es braucht unbedingt neue Versorgungsquellen. Die Nutzung der Elektrizität entwickelt sich natürlich entlang der gesamten Saane und am Jaunbach […]»[2]. 1902 wird in Thusy-Hauterive ein neues Wasser- und Elektrizitätskraftwerk gebaut. 1910 wird in Freiburg das neue Kraftwerk Oelberg eingeweiht und ersetzt das veraltete Kraftwerk Magere Au. Die Kraftwerke in Montbovon, Châtel Saint-Denis und die Dampfkraftanlage in Romont entstehen ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts. Alle diese Anlagen werden 1915 in den neu gegründeten Freiburgischen Elektrizitätswerken zusammengefasst.
Enge Beziehungen zwischen der Société des Eaux et Forêts und dem Technikum
Die Unterstützung der Entreprise des eaux et forêts des Technikums ist nicht gleich gut dokumentiert wie die der Universität, die Beziehungen zwischen den beiden Institutionen sind jedoch eng. 1898 beschreibt Léon Genoud in seinen Notizbüchern eine Vereinbarung, die zwischen der Ecole d’électromécanique und der Entreprise des Eaux et Forêts getroffen wurde:
«Am 16. August wurde die folgende Vereinbarung zwischen der Baudirektion und dem Unterzeichneten getroffen:
- Die Schüler der Abteilungen für Elektrotechnik (höhere Semester) sind zur Arbeit in des Elektrizitätsteams der Entreprise des eaux et forêts zugelassen.»[3]
Im Jahresabschluss 1899 der Ecole des arts wird in der Rubrik „Leistungen Eaux et Forêts“ ein Betrag von über 15’000 Franken ausgewiesen. Dies ist fast ein Drittel der Einnahmen, die sich in diesem Jahr auf ein wenig mehr als 53’000 Franken belaufen. Mehrere weitere Dokumente belegen die Beziehungen zwischen den beiden Institutionen. So wird in den Jahresberichten der FEW 1919 und 1920 eine mechanische Werkstatt erwähnt, «die die jungen Leute des Technikums beschäftigt, die einen Beruf erlernen wollen»[4]. Erst im Jahr 1921 wird das Technikum Eigentümer dieser Werkstatt. «Die mechanische Werkstatt, die uns die Elektrizitätswerke überlassen hat, ist seit dem 1. Januar 1921 auf Kosten der Schule in Betrieb. Da die Eigentümer einen Teil der Maschinen und Werkzeuge übernommen haben, musste die Werkstatt mit neuem Material ausgestattet werden. Wir hoffen, diese Ausgaben schrittweise amortisieren zu können.»[5]
© Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Fonds des Entreprises Electriques Fribourgeoises
Die Beziehungen zu den FEW und später zu Groupe E bleiben während der gesamten Geschichte der Schule mit unterschiedlicher Intensität bestehen, je nach gemeinsamen Projekten und den zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Vertretern der beiden Institutionen. Im nächsten Kapitel erwartet uns ein Interview mit dem aktuellen Generaldirektor von Groupe E, Jacques Mauron, der betont, dass die Beziehungen heute sehr stark sind. Für die Zeit zu Beginn des 20. Jahrhundert ist jedoch der Werdegang von Paul Joye sehr aufschlussreich. Er war Physikprofessor an der Universität, Direktor des Instituts für Physik ab 1916, Rektor in den Jahren 1929-1930 und parallel zu seiner universitären Tätigkeit von 1925 bis 1928, direkt Léon Genoud, auch Direktor des Technikums. 1932 wird er die Direktion der FEW übernehmen und die Werke bis 1951 leiten.
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[1] Idem, S. 247
[2] Walter, François, Steinauer, Jean, Planzi, Lorenzo, Paysages sous tension, Editions Alphil, 2015, S. 84
[3] Genoud Léon, Carnet manuscrit de Léon Genoud, Archive der HTA-FR, unveröffentlicht, 1897-1925, Heft Nr. 2, S. 50-51
[4] Jahresbericht der Freiburgischen Elektrizitätswerke (FEW), 1919
[5] Jahresbericht des Technikums, 1921-1922