Hinter den Türen des Smart Living Labs

An der Schnittstelle sehr unterschiedlicher Fachbereiche der EPFL, HTA-FR und der Universität Freiburg trägt das Smart Living Lab zu einer positiven Entwicklung der gebauten Umwelt bei. Wir entdecken dieses Forschungszentrum durch einige Fragen an den Leiter des Smart Living Labs der HTA-FR, Jean-Philippe Bacher.

Welches sind die aktuellen Herausforderungen im Bereich des Wohnens und Bauens?

Aus gesellschaftlicher Sicht lässt sich eine demografische Entwicklung hin zu einer alternden Bevölkerung feststellen. Auf privater Ebene verlaufen die Lebenswege immer weniger linear; die Zeit, in der wir in dem Dorf starben, in dem wir geboren wurden, ist vorbei. Zusätzlich zu diesem Trend zum Nomadentum bricht das traditionelle Familienmodell auf. Diese Entwicklungen müssen in unsere Denkweise über Wohnformen integriert werden.

Im Berufsleben vollzieht sich auch ein schneller Paradigmenwechsel. Der Bedarf an Büroraumtypen ändert sich. Die Zahl der Selbstständigen steigt, Coworking, Open Innovation und Zusammenarbeit sind Trends, die sich immer stärker ausprägen und einen spezifischen Bedarf an Arbeitsräumen schaffen. Offensichtlich hat die Coronavirus-Krise mit dem massiven Einsatz von Telearbeit diese Veränderungen beschleunigt.  Diese Entwicklungen haben einen globalen Einfluss auf die Gestaltung von Lebensräumen. Darüber hinaus werden Fragen der Gesundheit und des Wohlbefindens zunehmend bei der Gestaltung der gebauten Umwelt berücksichtigt.

Es geht also hauptsächlich um Herausforderungen in Bezug auf die Nutzung?

Nicht nur. Neben dem veränderten Nutzungsverhalten treiben Klimafragen und begrenzte Ressourcen die Energiewende und das Ziel der Klimaneutralität voran. Dieses Umweltbewusstsein impliziert nicht nur technische und wirtschaftliche Entwicklungen, sondern auch Veränderungen auf individueller und kollektiver Ebene. Ob in Bezug auf Werte und Verhaltensweisen oder in Bezug auf unsere Mobilität, unsere Lebensweise oder unser Konsumverhalten.

All diese Entwicklungen machen die Frage nach der Evolution der gebauten Umwelt spannend und voller Herausforderungen. 

Wie trägt das Smart Living Lab dazu bei, die Herausforderungen dieser sich verändernden gebauten Umwelt anzugehen?

Das Smart Living Lab ist ein interinstitutionelles und interdisziplinäres Forschungszentrum. Interinstitutionell, weil die EPFL, die HTA-FR und die Universität Freiburg zusammenarbeiten, und interdisziplinär in dem Sinne, dass es Kompetenzen bündelt und in unterschiedlichen Bereichen wie Architektur, Energie, Bauingenieurwesen, Umweltwissenschaften, Soziologie, Psychologie, Recht und Wirtschaft tätig ist.

Das Smart Living Lab zielt darauf ab, Wissen, Tools und Lösungen für neue Generationen von Baufachleuten bereitzustellen, unter Berücksichtigung der Energiewende und der CO2-Neutralität auf Gebäude- und Quartiersebene. Dieses Ziel muss unter Berücksichtigung des Wohlbefindens und der Gesundheit der Benutzer und unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Entwicklungen erreicht werden. 

Was sind die Aktivitäten des Smart Living Labs?

Die Hauptaktivitäten des Smart Living Labs sind der Aufbau, die Durchführung und die wissenschaftliche und wirtschaftliche Valorisierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Die Forschungsfelder basieren auf vier Achsen: Wohlbefinden und Verhaltensweisen, Interaktionen und Konzeptionsprozesse, Energiesysteme und Bautechnologien. Mit den durchgeführten Projekten wollen die beteiligten Labore und Institute den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Forschung stellen, die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen nutzen und vor allem das Experimentieren im Massstab 1:1 fördern. Dies geschieht durch die Realisierung von Prototypen oder durch Konzeptionsprozesse und Tests, die die Nutzer der „Living Labs“ einbeziehen.

Mit ihrem Forschungsprogramm, das mit dem Smart Living Lab verbunden ist, hat die HTA-FR derzeit mehr als zwanzig verschiedene Projekte laufen. Sie repräsentieren eine grosse Vielfalt in Bezug auf die behandelten Themen, ihren Umfang und ihre Dauer. Einige haben eine starke Forschungsorientierung und sind daher im Innovationsprozess vorgelagert. Die meisten von ihnen haben jedoch einen ausgeprägten Anwendungsbezug und zielen mehr oder weniger kurzfristig darauf ab, dass ihre Ergebnisse von Unternehmen und Behörden genutzt werden. Diese Akteure sind oft Partner in den Projekten des Programms.

Fotokredit : Behnisch Architekten und STEMUTZ.