Jean-Daniel Wicht ist Präsident des Building Innovation Clusters, an dem die HTA-FR beteiligt ist, und Direktor des Freiburgischen Baumeisterverbands (FBV), einem der Partner der 125-Jahr-Feier. Er stellt uns die Digitalisierung im Bauwesen vor.
Die Digitalisierung ist heute überall – auch im Bauwesen?
Im Bauwesen wird die Digitalisierung durch den Begriff BIM ausgedrückt, der für „Building Information Model“ steht. Er bezieht sich auf die Tools der Bauinformationsmodellierung, die die Modellierung von Gebäudedaten ermöglichen.
Konkret bedeutet dies, dass ein digitales 3D-Modell entworfen werden kann, bevor ein Gebäude gebaut wird. Vor 10 Jahren wurden zum Beispiel das Multiplex-Kino in Freiburg und das Gebäude von Groupe E in 3D modelliert. Jedes Material und jeder Bauabschnitt wurde digitalisiert, sodass der gesamte Prozess verfolgt werden konnte. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man bis ins kleinste Detail sicher prüfen kann, ob die Pläne korrekt sind.
Mit einem digitalen Modell kann auch das Baugrundstück digitalisiert werden. Bei Erdarbeiten ist es zum Beispiel möglich, GPS-Sensoren an Baumaschinen anzubringen. Damit kann der Maschinenführer seinen Aushub, die Form der Böschungen und viele andere Daten auf dem Bildschirm visualisieren. Das bedeutet, dass es nicht mehr notwendig ist, eine zusätzliche Person auf der Baustelle zu haben, die dem Maschinenführer Anweisungen gibt. So spart man Kosten.
Eine weitere Verwendung ist die Präsentation eines Objekts zum Verkauf. Die digitale Technologie ermöglicht es, mit einer 3D-Brille durch die Wohnung zu gehen und das Gebäude einschliesslich der Möbel zu besichtigen, um dem Kunden das Endergebnis zu zeigen.
Was sind die Vorteile der BIM-Methode?
BIM hilft dem Kunden, das fertige Produkt zu visualisieren. Das Gebäude wird komplett in 3D gebaut und alles kann an den digitalen Plänen geändert werden, wie z.B. das Verschieben der Wände, bis der Kunde zufrieden ist. Die Tools sind heutzutage sehr leistungsfähig.
Es ist also vor allem ein Vorteil für die Kunden?
Nein, alle Gewerke profitieren von dieser Technologie, weil sie hilft, Fehler zu vermeiden und effizienter zu arbeiten. Auf technischer Ebene ist es mit einem digitalen Modell möglich, zu wissen, aus welchem Material die Wände bestehen, welche Arten von Lampen man installieren will, Elemente wie Heizung, Lüftung, etc. zu definieren. Sie können virtuell durch das Gebäude gehen und erhalten technische Informationen: Indem Sie sich z.B. eine Wand virtuell ansehen, erfahren Sie, aus welcher Art von Fliesen, Kleber usw. sie besteht.
Ein weiterer positiver Punkt ist die langfristige Nutzung des digitalen Modells. Sollte nach einigen Jahren ein technisches Problem auftreten, sind dank des digitalen Mock-ups alle Informationen, vom verwendeten Material bis hin zur ausführenden Firma, schnell und am selben Ort zugänglich. BIM betrifft den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, vom Entwurf bis zum Rückbau.
Wir haben es also mit einer echten Revolution zu tun?
Leider nicht; die Technologie ist da, aber die Unternehmen sind aus Kostengründen noch zurückhaltend. Vor allem die Unternehmen in der Region Freiburg fühlen sich von der Digitalisierung nicht betroffen. Nur grosse Unternehmen haben sich digitale Tools angeschafft, die helfen können, Fehler zu vermeiden. Denn letztere sind in der Baubranche sehr teuer.
Hier ist ein Beispiel für die Kosten von Fehlern: Wir haben ein Lagerhaus gebaut, das Sanitärleitungen erforderte, die auf herkömmlichen Plänen nicht sichtbar waren. Letztlich wurde der Platzbedarf für diese Rohre nicht berücksichtigt und führte zum Verlust einer Speicherebene. Wäre das Projekt anhand eines digitalen Modells entworfen worden, wäre dieses Problem von Anfang an erkannt worden und das Endergebnis wäre zufriedenstellend gewesen.
Dieses Beispiel zeigt, dass einige wichtige Konsequenzen bereits vor der Fertigstellung des Projekts erkannt werden können. Ein digitales Mock-up bedeutet mehr Zeit in der Entwurfsphase, vermeidet aber Überraschungen während des Baus. Derzeit können die Arbeiten beginnen, bevor die Zeichnungen fertiggestellt sind. Die Verwendung von BIM vermeidet unprofessionelle «Bastelarbeiten» beim Bau.
Was sollte getan werden, um die Akteure in diesem Bereich davon zu überzeugen, die verfügbaren Tools stärker zu nutzen?
Ich sehe zwei Hebel, um etwas zu verändern: die Behörden und die Unternehmen.
Die Behörden sollten die Verfahren zur Erteilung von Baugenehmigungen überdenken. Mein Traum wäre es, mit den staatlichen Stellen im Vorfeld zu arbeiten. Wenn derzeit ein neues Projekt gestartet wird, wird es sechs Monate oder sogar ein Jahr lang entwickelt. Sobald die Finanzierung gesichert ist, wird das Projekt aufgelegt. Treten an dieser Stelle Probleme auf, muss das Projekt neu geplant werden, bis alle zufrieden sind. In den Phasen vor der Baugenehmigung geht viel Zeit verloren. Ich denke, dass das Projekt erst nach Fertigstellung des digitalen Modells ausgeschrieben werden sollte. Der Kanton Freiburg sollte die Digitalisierung bei einem seiner nächsten Bauprojekte einsetzen. Aber in diesem Fall sind sie sehr zurückhaltend, weil sie die zusätzlichen Kosten fürchten.
Zweitens müssen die Unternehmen vom Nutzen des Einsatzes von BIM überzeugt werden, indem die Vorteile aufgezeigt werden. Aber es ist schwierig nachzuweisen, dass das Vermeiden von Fehlern Geld spart, weil Fehler erst entdeckt werden, wenn das Gebäude schon gebaut ist.
Sie sind Präsident des Building Innovation Cluster (BIC), bei dem die HTA-FR Partner ist. Was tun Sie, um die Digitalisierung in der Baubranche voranzubringen?
Das Ziel des BIC ist es, die Digitalisierung im Bauwesen voranzutreiben. Deshalb organisieren wir Konferenzen, Workshops, Webinare und andere Kommunikationsaktivitäten mit Unternehmen und Ämtern des Kantons Freiburg, die vom Bausektor betroffen sind.
© Smart Living Lab – Building2050 – EPFL Fribourg, Renseignements: Dr. Sergi Aguacil