Chapitre 1, 3e partie, Panorama de l'économie fribourgeoise

Kapitel 1, Teil 3: Übersicht über die Freiburger Wirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Die Glasfabrik von Semsales vor 1900.
BCU Fribourg, Postkartensammlung, Edition J. Kupferschmid, Biel.

Der Pfeiler der Freiburger Wirtschaft ist während des gesamten 19. Jahrhunderts die sich stetig modernisierende Landwirtschaft. «Anstelle von Industrie und Gewerbe gibt es im Kanton nur eine Fülle kleiner Handwerker und Händler, die für eine lokale und hauptsächlich ländliche Kundschaft arbeiten… Nur einige wenige Betriebe verdienen den Namen Industrie: die Glasfabrik in Semsales, die Papiermühle in Marly… und die Uhrenfabrik, die sich 1851 in Murten niederlässt und acht Jahre später nach Montilier verlagert wird.»[1] Letztere beschäftigt bis zu 300 Angestellte und produziert 1881 rund 60’000 Uhren. Die 1776 gegründete Glasfabrik in Semsales ist die grösste der Schweiz und beschäftigt 140 Arbeiter. Die im 15. Jahrhundert gegründete Papiermühle in Marly stellt auf industrielle Fertigung um und wird ab 1875 erneut wettbewerbsfähig.

Die Handwerker, die Energie benötigen, lassen sich entlang der Flüsse nieder. Der Staatsrat erteilt Konzessionen für sogenannte „droits de rouage“[2], welche die Art der Aktivitäten in der Mitte des Jahrhunderts veranschaulichen. François Walter schreibt, dass zwischen 1850 und 1863 «von den erteilten Konzessionen 39 für Sägewerke, 34 für Dreschmaschinen, 27 für Mühlen vergeben wurden.»[3]

Provisorisches Fahrgastgebäude, Bahnhof Freiburg, 1872.
© BCU Fribourg, Fonds Prosper Paul Macherel.

Das Projekt der Industrialisierung des Pérolles-Quartiers, indem die notwendigen Infrastrukturen – Energie, fliessendes Wasser und eine Industriebahn – geschaffen werden, war in Freiburg also durchaus revolutionär. Die folgenden Unternehmen entstehen auf der Pérolles-Ebene:

Die Société fribourgeoise de Fabrication de Wagons

Der im März 1872 zu einem Zeitpunkt, als die Eisenbahn einen Boom erlebt, gegründete Betrieb will mehr als 500 Eisenbahnwagons pro Jahr produzieren. Das Material dazu bezieht er von der Société des eaux et forêts, deren Verwaltungsrat teilweise aus den gleichen Mitgliedern besteht. Die Produktion beginnt 1873, als sich die Wirtschaftskrise bereits abzeichnet. Der Betrieb steht in Konkurrenz mit einem im gleichen Jahr in Bern gegründeten Unternehmen. 1874 wird ein Grossteil des Betriebs durch einen Brand zerstört. Über 300 Arbeiter werden arbeitslos und 1875 wird der Konkurs eröffnet. In der Folge wird das Betriebsgelände von der Armee genutzt, bevor 1896 die neu gegründete wissenschaftliche Fakultät einzieht. Heute beherbergt das Gebäude das Naturhistorische Museum.

Die Société de Pisciculture, Glacières et Irrigation

Die 1871 gegründete Schwestergesellschaft der Société des eaux et Forêts hat hochfliegende Pläne: Sie «will in den Felsen der Saane riesige Eisgrotten errichten, um das Eis, das sich im Winter auf natürliche Weise über dem Pérolles-See bildet, kommerziell zu nutzen»[4] sowie ein Bad, Waschhäuser, eine Schwimm- und Eislaufschule einrichten und betreiben und den künstlichen See als Naherholungsort aufwerten. Tatsächlich verdient sie nur mit der Lieferung von Eis etwas Geld und wird 1875 liquidiert.

Fonderie et ateliers de construction de Fribourg

Der 1871 gegründete Betrieb ist von der Société des eaux et forêts unabhängig und im Gegensatz zu den Unternehmen Ritters vollständig in Freiburger Hand. Er ist erfolgreich und beschäftigt bereits ein Jahr nach seiner Gründung rund fünfzig Giesser, Schmiede und Schlosser. Er existiert unter verschiedenen Namen und Besitzern bis ins Jahr 1922.

Kunstdüngerfabrik an der Bahnlinie, zwischen 1895-1915, Pérolles, Fribourg.
© BCU Fribourg, Ernest und Alfred Lorson Fonds.

Fabrique d’engrais chimique

Das 1864 im Au-Quartier gegründete Unternehmen trägt seinen Teil zur Modernisierung der Landwirtschaft bei. Es ist daher sehr erfolgreich und wird erst 1951 liquidiert. Das Unternehmen wächst rasch und wird 1872 ins Pérolles-Quartier verlegt, wo es wie die Giesserei von der Industriebahn der Société des eaux et forêts profitiert.

Gemäss François Walter werden auf dem Höhepunkt dieser ersten Industrialisierung in Freiburg rund 800 Personen in den entstandenen Unternehmen beschäftigt –1850 gab es noch praktisch keine industriellen Arbeitskräfte. 1870 zählt die Stadt Freiburg 10’881 Einwohner, 1850 waren es noch 9’055. Im selben Zeitraum steigt der ausländische Bevölkerungsanteil von 5 auf 10% (+ 500 Personen), was darauf schliessen lässt, dass ein Grossteil der 800 Arbeiter in der Industrie aus dem Ausland stammte. Mehrere den Jahresberichten der Unternehmen beiliegenden Unterlagen bestätigen dies. Wie bereits erwähnt, fallen die meisten dieser Unternehmen und Arbeitsplätze der Krise anheim.

Weitere Unternehmen

Brasserie du Cardinal, zwischen 1837-1905, neue Fabrik im Bahnhof, Fribourg.
BCU Fribourg, Sammlung von Ansichtskarten.

Um diesen Überblick über die Freiburger Unternehmen zu vervollständigen und aufzuzeigen, in welchem wirtschaftlichen Umfeld die Kunst- und Gewerbeschule entstanden ist, soll auch die Gründung von weiteren Unternehmen zwischen 1870 und 1900 erwähnt werden.

Die Kartonfabrik CAFAG wird 1870 und die Nudelfabrik – in der heute die EMAF untergebracht ist – 1876 eröffnet. 1877 übernimmt Paul-Alcide Blancpain die Brauerei in der Unterstadt, die 1900 den Namen Cardinal erhält und 1904 an ihren historischen Standort umzieht, 1883 wird die Brasserie de Beauregard eingeweiht. L’Industrielle wird 1887 von regierungsnahen Kreisen gegründet, um «kleine Werkstatt-Schulen zusammenzufassen, die den Armen Arbeit verschaffen sollen»[5].

1899 wird die Schokoladenfabrik Cailler in Broc und 1901 Chocolats Villars eröffnet. 

Katalog der Industrieausstellung 1892.

Der Katalog der kantonalen Industrieausstellung von 1892 gibt Auskunft über die damals in Freiburg ausgeübten Berufe[6]. Er listet alle Aussteller auf, die an der Ausstellung teilgenommen haben. Neben den aufstrebenden Industrien und den Zulieferern aus der Landwirtschaft sind auch 150 Strohflechterinnen verzeichnet, was auf die Bedeutung dieser Aktivität für die Armen des Kantons verweist.

1892 absolvieren die folgenden Lehrlinge die 1890 eingeführten Lehrabschlussprüfungen: «Die Liste der 1892 zur Prüfung angemeldeten Lehrlinge zeugt von der Vielfalt der Berufe der 59 teilnehmenden Lernenden: 6 Schuhmacher, 4 Metzger und 1 Wurster, 4 Steinmetze, 4 Schlosser, 4 Schneiderinnen, 3 Stellmacher, 3 Coiffeure, 2 Maurer, 2 Spengler, 2 Gärtner, 2 Schreiner, 2 Bäcker, 2 Sattler, 2 Schmiede, 2 Mechaniker, 1 Konditor, 1 Vergolder, 1 Marmor-Steinmetz, 1 Hutmacher, 1 Schneider, 1 Kaminfeger, 1 Dachdecker,1 Zigarrenmacher,1 Graveur, 1 Uhrsteinmacher, 1 Gabelmacher, 1 Bildhauer und 2 Typographen.»[7]

Entdecken Sie den Blog als PDF. Laufend aktualisiert mit den neusten Publikationen: https://125.hta-fr.ch/geschichte/


[1] Michel Charrière, Une ville et ses artisans, xxxx, S. 14

[2] «Droit de rouage heisst an einigen Orten eine Abgabe, die von verkauften Weinen oder Getreide entrichtet werden muss, wenn solche auf der Achse fortgeschaffet werden». Nouveau dictionnaire de la langue françoise et allemande, Mannheim, 1784.

[3] François Walter, op. cit., S.136

[4] François Walter, op. cit., S.186

[5] Florence Bays, Christophe Cottet, Anne Philipona, Jean Steinauer, «Former des apprentis : l’enseignement professionnel dans le canton de Fribourg», Société d’histoire du canton de Fribourg: Amt für Berufsbildung, 2016, S. 23

[6] Katalog der kantonalen Industrieausstellung in Freiburg (Schweiz), 1892

[7] Florence Bays, Christophe Cottet, Anne Philipona, Jean Steinauer, op. cit., S. 29